Positionspapier: Digital, vernetzt, autonom. Mobilität der Zukunft im Allgäu.
1. Mobilität ist Freiheit – Liberale Grundprinzipien
Für uns Freie Demokraten Oberallgäu ist Mobilität eine Voraussetzung der Menschen dafür, in individueller Freiheit, ihr Leben selbstbestimmt führen zu können. Mobilität einschränken zu wollen, bedeutet, den Entfaltungsdrang der Menschen einschränken zu wollen. Die Einschränkung der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl des individuellen Verkehrsmittels ist dementsprechend kein Betätigungsfeld für politisches Handeln und entsprechend abzulehnen. Aus diesem Grund erteilen wir einer pauschalen Einführung von strengeren Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie Fahrverboten eine klare Absage. Mobilität bedeutet auch Chancengerechtigkeit sowie Teilhabe an gesellschaftlichem Leben, welches jedem Menschen zusteht. Bedarfsgerechte, barrierefreie und niederschwellige Mobilitätsangebote stellen für uns dementsprechend einen Garanten für ein soziales Miteinander dar. Dem entgegenzusetzen ist die Verantwortung der Gesellschaft für die Umwelt (ökologische Nachhaltigkeit) sowie nachfolgende Generationen (soziale Nachhaltigkeit). Aus diesem Umstand begründet, ergibt sich für die Politik die Aufgabe, einen Ausgleich zwischen diesen Polen zu schaffen. Dabei sind wir Freie Demokraten stets technologieoffen und fortschrittsfreundlich. Wir begrüßen jede Entwicklung, die uns in unserem Ziel einer bedarfsgerechteren, flexibleren, nachhaltigeren sowie verlässlicheren Mobilität unterstützt und dabei datenschutzrechtliche Standards einhält.
Die Freien Demokraten im Oberallgäu fordern und befürworten deshalb:
- Innovation statt Ideologie beim Klimaschutz
- den Erhalt der Wahlfreiheit beim Verkehrsmittel für alle Bürgerinnen und Bürger
- Barrierefreie Mobilitätsinfrastruktur bei Bus und Bahn
- eine zukunftsfähige und nachhaltige Finanzierung des ÖPNV
- einen Wettbewerb der Ideen beim Thema Mobilität statt einem Kulturkampf gegen das Auto
- Technologieoffenheit auf allen Ebenen
- Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei Infrastruktur- und Mobilitätsprojekten
2. Neues Denken erfordert Mut zur Wahrheit
Der ländliche Raum stellt die Mobilität vor spezielle Herausforderungen. Durch große Distanzen, die zwischen den Gemeinden der Region zurückgelegt werden müssen sowie durch eine vergleichsweise dünne Besiedelung, ergibt sich eine Situation, die einen flächendeckenden ÖPNV unter den gegebenen Umständen weder finanzierbar noch realisierbar macht. So ist „an Samstagen und Sonn- und Feiertagen […] der Busverkehr auf vielen Linien deutlich eingeschränkt. An Samstagen reduziert sich das Angebot auf ca. 59 %, am Sonntag auf 42 % der Fahrten. Auf etwa einem Sechstel aller am Wochenende verkehrenden Linien werden maximal drei Fahrten je Tag und Richtung angeboten. Ein konstantes Angebot an allen Tagen ist lediglich auf den touristisch bedeutsamen Linien im südlichen Oberallgäu zu verzeichnen“1. Schon jetzt subventioniert der Landkreis Oberallgäu rund 3,5 Mio. €2 für den ÖPNV aus. Dazu kommt rund eine Mio. € für die Schülerbeförderung3. Eine Mobilitätsgarantie für jedermann zu jederzeit kann durch öffentliche Verkehrsangebote somit seriös nicht erfolgen. Auch die Idee eines kostenlosen ÖPNV sehen wir kritisch, da dies das Grundprinzip des Zusammenhangs zwischen Inanspruchnahme (Nutzen) und der Finanzierung (Kosten) aushebeln würde. Dennoch muss konstatiert werden, dass sich das Mobilitätsbedürfnis vieler Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren deutlich verändert hat. Zudem steigt die Nachfrage nach einem flexibleren ÖPNV-Angebot durch ein immer stärker wachsendes Bewusstsein für den Klimaschutz und den daraus resultierenden Willen, CO2-Emmissionen reduzieren, bzw. vermeiden zu wollen. Hinzu kommt eine sich immer weiter zuspitzende Belastung unserer Verkehrswege und Parkplatzinfrastruktur durch einen florierenden Tourismus in der Region. Besonders zu Zeiten von Großveranstaltungen wie Ski-Events oder an Wochenenden in der Hauptsaison wird die vorhandene Infrastruktur dem Ansturm der Massen an Autos nicht mehr Herr. Dennoch ist das Auto als häufig präferiertes Verkehrsmittel im ländlich geprägten Allgäu aus den oben genannten Gründen nicht wegzudenken. Einen Kulturkampf gegen die individuelle Mobilität – wie ihn mache politischen Gegner führen – verurteilen wir aufs Schärfste. Stattdessen stehen wir für eine sachliche Politik der Vernunft, die die Menschen nicht erziehen möchte, sondern für intelligente Anreize zu Gunsten einer nachhaltigen Verkehrswende steht.
Die Freien Demokraten im Oberallgäu fordern und befürworten deshalb:
- eine stetige Aktualisierung und Anpassung des Verkehrskonzeptes des Landkreis Oberallgäu
- eine Harmonisierung der Tarife innerhalb der Allgäuer Verkehrsverbünde, auch über die Kreisgrenzen hinaus
- einen Ausbau des Angebotes an Anruf-Sammel-Taxi (AST)- Verbindungen im Oberallgäu
- die Weiterentwicklung von benutzerfreundlichen Ticketangeboten wie dem Job-Ticket in Kempten oder dem Umwelt-Abo-Bus. Eine Versteifung auf das sogenannte „100-€-Ticket“ inkl. Bahnangebot ist nicht zielführend.
- die Schaffung einer freiwilligen Ticketalternative für Auszubildende und Jugendliche im Umfang des Semestertickets. Gerade junge Leute ohne eigenen PKW benötigen einen günstigen Zugang zu Mobilität
- einen maßvollen Ausbau der Straßeninfrastruktur im Oberallgäu. Die Mobilität mit dem eigenen PKW muss gerade im ländlichen Raum gewährleistet bleiben. Dennoch erteilen wir unnötig üppigen Straßeninfrastrukturprojekten eine Absage. Hier muss neben der Ökologie vor allem auch auf das Geld der Steuerzahler geachtet werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass aufgrund der stetigen Autonomisierung der Flotten und der anzunehmenden Zunahme von Car-Sharing das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahrzehnten deutlich sinken wird. Aus diesem Grund sprechen wir uns auch für einen maßvollen vierspurigen Ausbau der B 12 analog der B 19 aus.
- die Aufsetzung eines Förderprogramms für ehrenamtliche Bürgerbusse im Allgäu zur kurz- und mittelfristigen Abmilderung der Mobilitätsproblematik in den Kommunen.
3. Chancen der Digitalisierung bei der Allgäuer Mobilität
Die Digitalisierung bietet für die Mobilität der Zukunft im Allgäu viele großartige Chancen. Gerade beim Austausch von Informationen und der Vernetzung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern sowie den Nutzerinnen und Nutzern herrscht großes Potential. Sowohl in der Lenkung von Besucher- und Verkehrsströmen, als auch bei der flexiblen Bereitstellung von Mobilität, könnte die moderne Technik
zum Umweltschutz beitragen. Autonomes Fahren könnte – gerade im ländlichen Allgäu – die Lebensqualität vieler Bürgerinnen und Bürger spürbar verbessern. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land – wie es in der Bayerischen Verfassung vorgesehen ist – wäre somit nicht nur Wunschtraum, sondern Realität. Doch der Weg zu mehr Digitalisierung bei der
Mobilität ist nicht leicht. Zwar haben wir mit der Hochschule Kempten einen verlässlichen und regionalen Partner mit einzigartiger Expertise zu dieser Thematik. Dennoch bedarf es großer und nachhaltiger politischer Überzeugungsarbeit, sowohl die Bevölkerung als auch die aktuell in Verantwortung stehenden Akteure vom Mehrwert eines solchen Paradigmenwechsels zu überzeugen. Wir scheuen diesen Aufwand jedoch nicht.
Die Freien Demokraten im Oberallgäu fordern und befürworten deshalb:
- die Gründung einer echten Modellregion für autonomen ÖPNV im Oberallgäu mit erlebbarem Testbetrieb und nachhaltigem Nutzen. Anzudenken wäre hierbei ein autonomer Prototyp des sogenannten „Grüntenblitz“ – einem Pendelbus rund um den Wächter des Allgäus. Diesbezüglich ist eine enge Zusammenarbeit mit der Hochschule Kempten anzustreben. Die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt „Zukunft der Mobilität in Bergtälern – ZuMoBe“ sollen dabei einfließen. Unsere Vision ist die Individualisierung des ÖPNV im Oberallgäu. Hierfür müssen selbstverständlich auch die entsprechenden infrastrukturellen Anpassungen (5G, digitale Vermessung von Straßen) getätigt werden.
- die schnelle Umsetzung digitaler Besucher- und Parklenksysteme, wie Sie durch die „BayernCloud Tourismus“ angedacht ist. Dabei ist auf eine niederschwellige Nutzung der gewonnenen Daten durch die Bürgerinnen und Bürger, aber auch auf den Schutz der persönlichen Daten hinzuwirken
- eine Studie zur Erforschung von intelligenten Preissystemen für Parkplätze in touristisch stark beanspruchten Gebieten.
- die Bereitstellung von öffentlichem W-LAN und Steckdosen an den frequentierten Bushaltestellen sowie allen Bahnhaltestellen und Bahnhöfen
- die sofortige Installation von sogenannten Digitalen Fahrgast Informationssystemen (DFI) an allen frequentierten Bushaltestellen im Oberallgäu
- das schnelle Vorantreiben von E-Ticket-Lösungen für den Oberallgäuer ÖPNV. Dabei muss es Ziel sein, dass die gesamte Mobilitätskette von A nach B online buchbar wird. Lösungen für Bürgerinnen und Bürger, die nicht wollen, dass ihre Daten auf diese Weise gesammelt werden, muss auch die Möglichkeit eingeräumt werden, anonym – z.B. durch ein Prepaid-System – dieses System zu nutzen.
- eine zeitnahe Informationsübermittlung zwischen Bus und Bahn via Schnittstelle
- die Zukunftsvision eines „Flugtaxi“ vom Flughafen Memmingen ins südliche Oberallgäu als touristisch attraktiver Zubringer von Gästen aus aller Welt, in das Verkehrskonzept des Landkreises zu übernehmen.
4. Klimaschutz durch Innovation und Kreativität
Der Landkreis Oberallgäu hat sich in seinem „Masterplan 100 % Klimaschutz“ im Jahr 2016 das Ziel gesetzt, bis 2050 die Treibhausgasemissionen um 95 % zu senken (im Vergleich zu 1990)9. Im Zuge dessen hat sich der Landkreis ebenfalls das Leitziel gegeben „im Rahmen seiner Möglichkeiten den Bürgern und Touristen alternative Mobilitätsangebote bereitzustellen“10. Zu diesen Zielen stehen wir. Um sie erreichen zu können, muss schnell, beherzt und visionär gehandelt werden. Jahrelange Diskussionen über Konzepte wie die Regionalbahn, deren politische Umsetzung und wirtschaftliche Darstellbarkeit belegbar nicht gegeben ist, müssen Platz machen für neue und innovative Ideen. Dabei setzen wir klar auf Technologieoffenheit und moderne Technik.
Die Freien Demokraten im Oberallgäu fordern und befürworten deshalb:
- Die Gründung einer Teststrecke für das sogenannte „CourtryCab“ zwischen Kempten und Oberstdorf. Bei dieser Erfindung handelt es sich um eine kreiselstabilisierte Monoschienenbahnkapsel, die autonom und elektrisch betrieben wird. Eine Anwendung außerhalb des Regelverkehrs in den Abendstunden soll im Rahmen eines Forschungsprojektes erprobt werden. Eine solche Ergänzung des Mobilitätsportfolios könnte die Lebensqualität vieler Menschen im Oberallgäu verbessern. Aufgrund der Eingleisigkeit der Strecke zwischen Immenstadt und Oberstdorf bietet sich diese innovative Idee auch als Gegenentwurf zur Regionalbahn an.
- die Einführung von Bedarfshaltestellen auf der Bahnstrecke zwischen Kempten und Oberstdorf (z.B. Seifen, Stein oder das Krankenhaus in Immenstadt)
- einen Zusammenschluss der Allgäuer Kommunen zu einer Wasserstoffzukunftsregion Allgäu. Gemeinsam soll weiterhin für die lokale Produktion und Abnahme von Wasserstoff im Allgäu geworben werden. Auch soll das Bündnis die Einsetzung von Wasserstoff-betriebenen Zügen auf den Bahnstrecken im Allgäu forcieren. Derzeit sind die meisten Triebwägen auf den Allgäuer Schienennetzen noch Diesel-betrieben. Eine - wünschenswerte – zeitnahe Elektrifizierung der Strecken halten wir weder für finanzierbar noch realistisch.
- die Gründung eines schwäbischen Wasserstoffbords zur koordinierten Umsetzung der bayerischen und nationalen Wasserstoffstrategie
- die Prüfung, inwiefern sogenannte „E-Fuels“ oder „Compressed Natural Gas“ (CNG) als klimaneutrale Treibstoffe, in den Verbrennerflotten der Kommunen eingesetzt werden können. Es besteht kein Grund dafür das Ende des Verbrennungsmotors zu fordern, wenn dieser mit klimaneutralem Benzin, welches z.B. aus Wasserstoff gewonnen wird, betrieben wird.
- den stetigen Ausbau von Landeinfrastruktur für Elektroautos, aber auch E-Bikes bzw. Pedelecs.
- die Gründung einer Car-Sharing-Initiative im Oberallgäu. Dabei soll die Gründung einer Genossenschaft auf Basis einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) ins Auge gefasst werden. Ziel sollte es sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommunen im Oberallgäu an einem gemeinsamen Fahrzeugpool beteiligen, der über eine Genossenschaft verwaltet wird.
- den Ausbau der Radwege im gesamten Allgäu
- die großflächige Bereitstellung von P&R-Parkplätzen sowie Pendlerparkplätzen