FDP Oberallgäu kritisiert Pflegereform - Welche Fehler gemacht wurden und welche Chancen es gibt

Pflegekongress

Bereits zum vierten Mal organisierte die FDP Oberallgäu den Liberalen Pflegekongress. Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutierten über die Herausforderungen der Pflege heute und in der Zukunft. Für den Oberallgäuer Kreisrat Michael Käser (FDP) ist es ganz klar, weshalb sich die Freien Demokraten vor Ort so intensiv mit dem Thema Pflege auseinandersetzen: „Wir wollen den demographischen Wandel und seine Folgen, die unsere Gesellschaft ähnlich der Klimakrise vor enorme Herausforderungen stellt, genau analysieren und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort Lösungsstrategien entwickeln.“

Auch für den stellvertretenden FDP-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag Stephan Thomae kann die Brisanz des Themas gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: „Neun von zehn Landkreisen in Bayern kündigen schon heute an, dass sie in den kommenden zehn Jahren einen akuten Pflegemangel erwarten. Die Anzahl der Demenzerkrankten in Bayern wird in den nächsten zehn Jahren um den Faktor 1,5 wachsen, Anzahl der Pflegenden Angehörigen wird in den kommenden Jahren schrumpfen. Das alles sind Probleme, für die wir derzeit aus der Politik keine Antworten hören“, so der Oberallgäuer Spitzenkandidat der FDP bei der Bundestagswahl.

Einen Abriss über die Chronologie vergangener Pflegereformen und über das aktuell verabschiedete Reformgesetz bot der Kemptener Landtagsabgeordnete Dr. Dominik Spitzer, der als gesundheits- und pflegepolitischer Sprecher für die FDP-Fraktion im bayerischen Gesundheitsausschuss sitzt: „Von einer echten Reform kann man wahrlich nicht sprechen. Zwar beinhaltet das jüngste Gesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium durchaus positive Ansätze, wie mehr Befugnisse für Pflegefachkräfte oder eine anteilige Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege durch die Krankenkassen, jedoch ist das ganze Packet in Gänze nicht gegenfinanziert und mache Teile, wie die Tarifpflicht, stehen auf verfassungsrechtlich dünnem Eis. Was die Pflege eigentlich bräuchte, wäre ein kompletter Paradigmenwechsel“, so Spitzer.

Die Chancen der Digitalisierung und der Entbürokratisierung stellte die Pflegeunternehmerin und fränkische Bundestagskandidatin der Freien Demokraten aus Roth, Kristine Lütke, in den Fokus. Die Gerontologin führt im Familienbetrieb ein Pflegeheim und weiß um die Probleme in der stationären Pflege. Vor allem das sogenannte Liberale Pflegebudget stehe im Mittelpunkt Ihrer Agenda für den Deutschen Bundestag: „Die Idee ist, dass jeder Pflegebedürftige abhängig von seinem Pflegegrad, aber unabhängig von seiner Versorgungsform ein Budget an die Hand bekommt, welches mithilfe von speziell geschulten Fallmanagern für die Pflege eingesetzt werden kann. Damit ließe sich die Selbstbestimmung von Pflegebedürftigen stärken und innovative Versorgungssettings könnten entstehen. Auch pflegende Angehörige könnten auf diese Weise endlich entsprechend entlohnt werden“, so die Pflegeunternehmerin.

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde mit weiteren Experten über die Frage diskutiert, welche Reform die Pflege bräuchte. Die Vorsitzende der Stiftung „WIR! Pflegende Angehörige“ Frau Brigitte Bührlen kritisierte die aktuelle Machtstellung der Selbstverwaltung in der Pflege: „Wir brauchen einen Vorzeichenwechsel von der Anbieterzentrierung, hin zur Bedarfsorientierung. Beim Stricken der Pflegeversicherung im Jahr 1995 war der Webfehler, die Bürgerinnen und Bürger und damit auch die Pflegenden Angehörigen, durch die Einsetzung der Selbstverwaltung, auszuschließen von Fragen der Finanzierung und des Leistungsumfangs der Pflege“, so Bührlen. Auch die Seniorenbeauftragte des Landkreis Oberallgäu Gisela Bock kritisierte, dass die häusliche Pflege in der jetzigen Pflegereform kaum Beachtung findet. Stephan Vogt, Experte für alternative Wohnformen, sieht vor allem in der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe einen wichtigen Schritt in Richtung einer bedarfsgerechten Pflege.

Kontrovers diskutiert wurden bei der Podiumsdiskussion aber auch der aktuelle Fachkräftemangel, das Urteil des Bundesarbeitsgerichts über die Bezahlung von Bereitschaftszeiten in der ambulanten Betreuung, die Vollfinanzierung der Pflege durch die Pflegeversicherung, die Einführung eines verpflichtenden sozialen Dienstjahres sowie die Akademisierung der Pflege.

Das Video des live im Internet gezeigten Pflegekongresses steht auf dem Youtube-Kanal der FDP Oberallgäu zur Verfügung.

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